Eigentlich wollte ich ja über den Alltag mit Katzen im Home-Office schreiben. Ich werde das irgendwann nachholen.
Es ist jetzt auf den Tag genau einen Monat her, als unser Spiky in die letzte Lebensphase eintrat. Für uns Menschen, die wir gewöhnlich in Jahren denken, eine unvorstellbare kurze Zeit. Innerhalb einer Woche durchlief der Kater eine Abwärtsspirale in seinem Leben, die bei uns über Monate oder Jahre andauern kann.
In vielen Büchern und Artikeln werden die Zeichen, die Körpergesten, die Mimik, das allgemeine Verhalten und die Geräusche gedeutet, die unsere Katzen im Zusammenleben untereinander oder gegenüber ihren Menschen artikulieren. In meinem mittlerweile fast 30jährigem Zusammenleben mit Katzen habe ich viele dieser Verhaltensformen erlebt und bin noch immer fasziniert, wie feingliedrig unsere Fellnasen kommunizieren, wenn sie glücklich, erregt, krank oder verärgert sind. Ich habe miterlebt, wenn sie in die letzte Phase ihres Lebens eintreten und wenn sie nur noch den Tod erwarten. Ich war mir immer sicher, die Katzen zu verstehen und bin doch immer wieder überrascht, wie individuell Katzen kommunizieren.
Die täglichen Routinen unserer Kater waren über die Jahre immer die gleichen. Sowohl unser Tierheimgespann Micky und Spiky, als auch – nach Mickys Tod – Spiky und Nelson, begegneten sich am Morgen stets mit Köpfchen geben und anschließend gegenseitigem Putzen. Danach ging man auf gemeinsame Patrouille durch die Wohnung, um schließlich das Frühstück vom Dosenöffner einzufordern.
Während der Patrouillengang im Parallelmarsch mit aufgerichtetem Schwanz stattfand, wurde anschließend – versetzt – am Futterort gesessen, der ranghöhere etwas vorn, der andere leicht schräg dahinter, den Kopf nasch oben gerichtet, mit klarem Gestus, der Dosenöffner möge sich doch beeilen. Diese morgendliche Routine hielten Spiky und Nelson bis zu dem Tag ein, an dem Spiky zum letzten Mal Futter zu sich nahm. Danach kamen beide nicht mehr, der eine todkrank, der andere mochte wohl nicht mehr, als wüsste er, wie es um seinen Kumpel steht. Nelson lies Spiky auch immer den Vorrang am Futternapf und begann erst mit dem Fressen, wenn der „Chef“ seine Wahl getroffen hatte. Natürlich machte er auch Platz, wenn Spiky seine Wahl nochmal änderte.





Auch die Schlafplätze teilte man, wenn Micky und Spiky als Geschwister noch eng beieinander lagen, dann lagen Spiky und Nelson zumindest im Schlaf immer in der Nähe. Gemeinsam schaute man aus dem Fenster oder chillte. Die Entspannung lag auch in der Nähe zueinander, eine entspannte Katze liegt zusammengerollt. Ich nenne das die „Rollmopsstellung“ oder in U-Form, die „Shrimpsstellung“.










Seit dem Tod von Spiky ist alles anders, aber ehrlich änderte sich alles schon Anfang November. Von da an trennten sich die Wege unserer beiden immer stärker. Zwar kam man morgens noch zusammen, um zu frühstücken, aber Nelson suchte immer mehr meine Nähe und Spiky zog sich immer mehr zurück. Vielleicht war das so ein Zeichen, was ich als Mensch nicht wahrgenommen habe.
Die Erschöpfung, die den kleinen Katzenkörper ergriffen hatte erkennt man, wenn man die Bilder aus guten Tagen mit den der letzten beiden Tage vergleicht.





Spiky in der Zeit, in der alles noch in Ordnung war – aufmerksam und entspannt, aufgenommen in den Jahren 2015 bis Sommer 2020.



Die letzten Bilder von Spiky, nachdem er sich zunehmend zurückzog. Die Erschöpfung des Körpers ist ihm hier schon deutlich anzusehen. Dazu wirkt er strubbelig und aufgeschwemmt. Sein Blick ist leer und er versucht sich innerlich zu beruhigen. Er ist immer irgendwie wach und kaum noch in den entspannten „Shrimps- oder Rollmopsstellungen“, er ist immer aufrecht und die Ohren achten auf alles, was sich um ihn herum verändert. So verhält sich eine Katze, die befürchtet, das Opfer von anderen zu werden.
Das Bild in der Duschkabine habe ich am 30.12. aufgenommen, das war kurz bevor wir zum letzten Mal in die Tierarztpraxis fuhren, um Spiky zu erlösen. Die beiden anderen Bilder stammen von den Tagen davor.
Jetzt ist alles anders und ich fühle mich nach 2017 zurückversetzt, als Micky starb und Spiky plötzlich allein war. Die Signale von Nelson sind eindeutig. Er kuschelt sich, wo immer es geht, eng an mich, er sucht immer noch nach Spiky und maunzt mich vorwurfsvoll an. Ich versuche, die Routinen aufrecht zu erhalten und viel mit ihm zu spielen, aber ich merke, wie ihm der Kamerad fehlt, mit dem regelmäßig das Haus inspizierte, spielte, abhing, gemeinsam speiste und Schönheitsschlaf hielt. Denn so sehr wir auch unsere Katzen lieben, so sehr wir versuchen, sie zu verstehen, die vielen kleinen Signale kann wohl nur eine Katze richtig verstehen.
Ich bin mir noch nicht sicher, ob Nelson nun als Einzelkater weiter leben soll. Es hängt davon ab, wie er sich in den nächsten Wochen entwickelt. Derzeit trauert er, ich merke es ihm an. Ich hoffe, er verkraftet es gut, ab jetzt allein zu sein. Wir wollten nach ihm keinen weiteren Kater mehr, da auch wir älter werden und irgendwann wohl nicht mehr in der Lage sein werden, kleinen Fellnasen gute Partner zu sein. Aber wenn er zu sehr leidet, dann soll er einen gleichaltrigen Kameraden bekommen, mit dem er zusammenleben kann. Denn wir können ihm alles sein, aber keine Katze.